In der Palliativversorgung von Patienten in fortgeschrittenen Erkankungsstadien steht schwerpunktmäßig der psychologische Effekt der TGT im Vordergrund. Dieser beruht hauptsächlich auf positiven Auswirkungen des körperlichen Kontaktes.
Es geht um die Verbesserung des seelischen Wohlbefindens und die Förderung der Kommunikation in einer das Leben bedrohenden Situation. Durch die Anwesenheit eines Hundes wird eine entspannte, beruhigende Atmosphäre geschaffen, in der auch die unterstützende Einbeziehung der Angehörigen in den Krankheitsverlauf erleichtert wird.
Das Tier kann Trost spenden, als vermittelndes Medium die Kommunikation zwischen allen Beteiligten erleichtern und somit auch Hilfe bei der Trauerarbeit leisten.

Insbesondere das Kontaktliegen ist eine meist als angenehm empfundene Form der basalen Stimulation, bei der der Patient das Fell, die Wärme des Tieres, die Atembewegung und dessen Herzschlag wahrnehmen kann.
In der Praxis gliedert sich eine Einheit mit einem Therapiebegleithund in eine Einstiegsphase des gegenseitigen, kurzen Kennenlernens, gefolgt von einer Beobachtungsphase, bei welcher der Hund am Platz liegt und sich Patient und Tier in einer gewissen Distanz aneinander gewöhnen können. Darauf folgt die eigentliche Kontaktphase, bestehend aus freiem oder durch den Hundeführer gelenktem Miteinander, immer im Beisein des Therapeuten. Zuletzt folgt die Ausstiegsphase aus der gemeinsam verbrachten Zeit – mit einer meist ritualisierten Verabschiedung, bei der z.B. der Patient dem Hund ein Abschieds-Leckerli als non-verbales “Ich freue mich auf ein Wiedersehen” verabreicht.
Nicht nur in die häusliche Pflege, sondern gerade in den eher anonymen Klinikalltag könnten Therapiestunden mit Hunden problemlos integriert werden. Regelmäßig tierärztlich untersuchte, sowie geimpfte und entwurmte, MRSA neg. Hunde stellen kein erhöhtes Infektionsrisiko im Krankenhausalltag für die Patienten dar, so dass mittlerweile die tiergestützte Therapie das Einverständnis der Klinikumshygieniker finden kann.
Die tiergestützte Therapie ist ein komplementäres Behandlungsverfahren, das in hohem Maße auf Lebensqualität abzielt und insbesondere Menschen mit stark einschränkenden, leidvollen Symptomen, wie z.B. übel riechenden Wunden, Entstellungen oder gravierenden Funktionsverlusten die Möglichkeit bietet, in einem geschützten Rahmen nochmals Wertschätzung und Selbstwirksamkeit zu erfahren.

Der Therapiebegleithund in einer Palliativstation im Spital, bzw. in der Onkologischen Praxis – eine persönliche Herausforderung!
Vorab gab es viele, v.a. persönliche Hürden und Vorurteile zu überwinden.
“Ein Hund in einer onkologischen Praxis – ein klarer Ausschluss!”

Mit dem Wort “Onkologie” verbindet man Krebs und Chemotherapie. Es ist richtig, dass im Rahmen der Immunsuppression bei stammzelltransplantierten Patienten und bei Patienten in der aktiven Chemotherapiephase mein Hund nicht zum Einsatz kommen kann.
In der palliativen Therapiephase, die nicht mehr das Ziel einer Heilung sondern der bestmöglichen Symptomkontrolle mit Lebensqualität verfolgt, gibt es keine Einschränkung.

Ich erinnere mich an eine Patientin in der Onkologischen Praxis, die erzählte, dass sie ihr ganzes Leben lang Hunde hatte. Sie war eine couragierte Geschäftsfrau aus Berlin. Vom ersten Tag ihrer Therapie an, vor geschätzten 4 Jahren, begrüßte sie Leo regelmäßig. Sie hatte immer ein kleines Geschenk für ihn dabei. Leo zuckte immer mit der Augenbraue, stellte seine Ohren auf “Empfang”, wenn er nur ihre helle Stimme hörte.

Nach Jahren der Therapie dieser Patientin war klar, dass sie aufgrund des Krankheitsverlaufs nicht mehr ambulant behandelt werden konnte und bald auf eine Palliativstation überwiesen werden musste. Ich hatte ihr versprochen sie dort einmal mit Leo zu besuchen.
Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich schneller als erwartet.
Ich konnte noch mit ihr telefonieren und sie bat mich sehr, sie mit Leo zu besuchen.

Somit hatte ich wenig Zeit, diesen “Einsatz” vorzubereiten.
Mir war bewusst, dass ich viel riskierte! (Ohne Risiko kein Fortschritt!)

Abends fuhren wir unter Kenntnis der lokalen Situation ins Spital. Glücklicherweise fand ich große Akzeptanz für das Vorhaben vonseiten des Pflegepersonals auf der Palliativstation.
Am Parkplatz, der schwach beleuchtet war, sprang Leo auf einen Rollstuhl.
Ich bedeckte seinen Oberköper mit einem sog. OP-Mantel, setzte ihm eine OP-Haube auf – er ließ sich alles gefallen :), und deckte sein Gesicht mit einem für ihn durchsichtigen, dünnen Baumwolltuch ab. Unsere Kommunikation ist im Einsatz nonverbal.

Nach einigen Metern – kurz vor der Türe zur Palliativstation – rannte unvermittelt ein Mädchen zu mir und sagte: “Dein Patient hat aber viele schwarze Haare am Rücken!”
Das war knapp!

Ich telefonierte mit der Pflegerin, die Tür ging auf, und sie begleitete mich in das Pat. -Zimmer.
Ich hatte wie immer ein großes, dickes Baumwollhandtuch dabei und breitete dieses auf dem Bett neben der Patientin aus. Dann zog ich Leo Babybaumwollsocken über die Pfoten, Leo ging ganz vorsichtig vom Rollstuhl auf das Bett der Patientin, legte sich nah zu ihr und klappte seine Pfoten ein (um die Pat. nicht mit den Krallen, trotz der Socken, zu verletzen).

Sie atmete sehr schwer, war etwas unruhig, hörte mich und fühlte Leo deutlich, der sich mehr an sie hinkuschelte und endlich seine OP-Verkleidung los war:
Tränen der Rührung und des Dankes kullerten ihr die Wangen runter. Sie wurde ganz ruhig und entspannte sich zusehends. Nach ca 20 Minuten machten wir uns auf den Rückweg – so wie wir gekommen waren – und blieben zum Glück unentdeckt.
Die Patientin verstarb ruhig – noch in der gleichen Nacht.

Durch unsere zahlreichen Einsätze stellte ich regelmäßig eine Reduktion des Schmerz- und Angsterlebens fest.
Im Rahmen des Qualitätsmanagements in der Onkologischen Praxis haben 24 Palliativ-patienten an einer internen Befragung teilgenommen.
Bei den Patienten wurden jeweils vor eines Besuches mit Leo und danach
die Befindlichkeit mittels des multidimensionalen Befindlichkeitsfragebogens gemessen.

Schlussfolgerung:
Tiergestützte Therapie mit Therapiebegleithund hat sich in unserer internen prospektiven Befragung als effektives Verfahren zur Befindlichkeitsverbesserung, Schmerz- und Angstreduktion gezeigt. Ferner haben wir festgestellt, dass Hinderungsgründe für den TGT – Einsatz auf einen Mangel an Informationen zurückzuführen ist.
Tiere sind kein Allheilmittel, aber durch den gezielten Einsatz, z.B. eines Therapiebegleithundes, kann man auch bei schwerstkranken und sterbenden Menschen manchmal Erstaunliches erreichen.
In manchen Fällen mag es „nur“ ein entspanntes Lächeln sein, was dann wie an ein kleines Wunder grenzt.
Manchmal ist das Therapieziel ausschließlich eine Verbesserung der Lebensqualität für ein paar Minuten. Unter dem Leitgedanken der Hospizidee:
„Es geht nicht darum dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben” sagte Dr. Cicely Saunders,(1918-2005) die Pionierin der modernen Hospizarbeit …

Brigitta Prenninger, TAT OÖ, 09.08.2015
Onkologische Praxis Passau

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